[veröffentlicht in: Freie Presse 10.10.2006]
Zwei Chemnitzerinnen entdecken entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung der asiatischen Frucht und entwickeln neue Produkte
Menschen, die an Krebs erkranken, leiden an zahlreichen Folgeerscheinungen. Eine davon ist die Veränderung der Haut durch Chemotherapie und Bestrahlung. Zwei Chemnitzerinnen entwickelten Produkte aus Sanddorn, die eine heilende und zugleich pflegende Wirkung bringen sollen. Zum morgigen 5. Chemnitzer Brustkrebsforum in der Frauenklinik stellen sie die Lotions und Cremes vor.
Chemnitz. Sanft streicht sie sich über die weiche, gesunde Haut. Es gab eine Zeit, da hätte sich Sylke R. nicht vorstellen können, dass sie sich einmal wieder in ihrer Haut wohl fühlen kann. Die Chemotherapie besiegte zwar den Krebs, an dem die Unternehmerin erkrankt war, aber hinterließ sichtbare Folgen – auch die pergamentartige, dünne und sehr gereizte Oberfläche ihrer geschädigten Haut. Wie ein Wunder kann ihr da nachträglich nur erscheinen, dass sich zur Zeit ihrer Erkrankung zwei Chemnitzerinnen mit der Wirkung von Sanddorn beschäftigten.
Chemikerin Bettina Lühmann und Marketingfrau Silke Koppe wollten in ihrer “Salbenmanufaktur”, die sie 2005 gegründet hatten, mehr als nur Schönheit und Pflege. Sie gingen den Wünschen von Freunden und Bekannten nach, die ein Mittel suchten, das ihre Haut nach Chemotherapie und Bestrahlung die Strapazen der aggressiven Behandlungen vergessen lassen sollte. “Sie hatten meist schon viel ausprobiert, ohne Erfolg. Die meisten blieben bei Panthenol hängen, aber das beruhigt nur, pflegt aber nicht auf Dauer”, erzählt die promovierte Chemikerin Bettina Lühmann. Ein Jahr lang haben die beiden Frauen an sich und Freunden getestet, welche Einflüsse die Wirkstoffe des Sanddorns auf Haut und Körper haben. Und natürlich recherchierten sie ausgiebig zu diesem Naturprodukt, das schon seit Urzeiten in der Volksmedizin Tibets, der Mongolei und Russlands bei ganz verschiedenen Beschwerden eingesetzt wird: So bei Erkrankungen der Schleimhaut, der Lunge und des Halses, bei Augenkrankheiten, Verbrennungen und Erfrierungen, selbst bei Geschwüren und Gefäßerkrankungen. Frisches Sanddornfleisch auf eine Wunde träufeln – Usus bei diesen Völkern, denn schmerzstillende, entzündungshemmende und wundheilungsfördernde Eigenschaften zeichnen die orange-rote Frucht aus, die in Asien beheimatet ist, und von dort aus nach Europa kam. Ihre Zusammensetzung ist fast einzigartig, kaum eine andere Pflanze ist so vielseitig innerlich und äußerlich anwendbar.
Inhaltsstoffe und Wirkungen
Einige Inhaltsstoffe und ihre Wirkungen auf den Körper: Palmitoleinsäure (trägt zur Wundheilung und Wiederherstellung eines gesunden Hautgewebes bei), Linolsäure (beschleunigt bei Dermatosen, Sonnenbrand und Brandwunden spürbar die Regeneration der Haut), Carotinoide (hemmen die Oxidation von Zellfetten, binden schädliche Sauerstoffradikale, die auch Krebs auslösen können), Vitamin E (Schutzfunktion, entzündungshemmend, Sonnenschutz) und Flavonoide (stärken u. a. die Immunabwehr). Lühmann und Koppe waren sich einig: Wir stellen Produkte aus Sanddorn her, die gezielt auf die unterstützende Pflege der Haut von Krebspatienten vor, während und nach der Behandlung abgestimmt sind. Gleichzeitig eignen sich alle Lotions und Cremes zur Anwendung bei Schuppenflechte, Neurodermitis, Ekzemen, besonders strapazierter, empfindlicher und trockener Haut. Bei der Herstellung verzichtete die Chemikerin auf synthetische Duft- und Farbstoffe, auf Mineralöl- und Silikonölprodukte und verwendet weitgehend Stoffe aus kontrolliert biologischem Anbau. Die ersten Produkte mit Namen und Logo der Salbenmanufaktur “Beti Lue” erreichten auch Sylke R.
Doch Sanddorn ist nicht gleich Sanddorn. Professor Hartmut Hampl, dessen Firma Alpha Bio-Ingeneering in Zernsdorf die Ausgangsstoffe liefert, erklärt: “Entscheidend ist die extrem schonende Verarbeitung des Sanddorns, damit die wichtigen Wirkstoffe weitestgehend erhalten werden.” Sein Unternehmen hat sich die Verarbeitung patentieren lassen. Auch die Anwendung bei Strahlenschädigungen ist lange bekannt. “Schon die Tschernobylopfer wurden mit Sanddorn therapiert”, ist von dem Virologen zu erfahren. Hierzulande gibt es da nur ein Problem: “In Deutschland braucht jedes Heilmittel eine Zulassung, das hat Sanddorn nicht.” Bis jetzt ist diese Obstfrucht, die als einzige ihrer Art Öl enthält, in Europa meist auch nur durch ihren hohen Vitamin-C-Gehalt und ihre Anwendung in Nahrungs- und Genussmitteln (beispielsweise Marmelade, Tees, Säfte und Liköre) bekannt.